Fußball und Völkerverbindung

25 06 2014

Brief an den FALTER 3: Nr. 26/14

(c) Johannes Schmidt

Letzte Woche war ich ausnahmsweise IM Fußballstadion. Live musste ich die Niederlage Spaniens mitansehen. Der kurze Moment der Bitterkeit war bald vorbei, angesichts der ansteckenden Freude der Chilenen. „Chi-chi-chi, Le-le-le“ überall. Vor dem Stadion haben sie sich freudig mit spanischen und anderen ausländischen Fans fotografiert. Freundschaftlich, ohne Häme. Fußball ist doch völkerverbindend, dachte ich mir. Was meinen Optimismus trübt, sind homophobe und rassistische Sprechchöre in den Stadien. „Diego, du Schwuchtel“, erschallte es, weil viele dem gebürtigen Brasilianer Diego Costa nicht verzeihen, dass er jetzt einen spanischen Pass hat. Rio bemüht sich: In Fanzonen werden Sticker verteilt „Diskriminierung ist ein Eigentor“. Beim Brasilien-Mexiko-Spiel hat die Polizei zwei Argentinier verhaftet, weil sie Brasilianer rassistisch beschimpft hatten. Eh gut, wenn Diskriminierer bestraft werden. Blöd, dass es nur passiert, wenn die zufällig aus dem Land des Erzfeindes Argentinien kommen.





Die Müllsammler von Rio de Janeiro

23 06 2014
SENDUNG: Ö1 Mittagsjournal, Montag, 23. Juni 2014
 Ö1 zum Nachhören

Wo viele Menschen zusammen feiern, entsteht auch viel Müll: zum Beispiel in Fußballstadien und in den vielen Straßen und Plätzen von Rio de Janeiro, wo Public Viewings der Fußballspiele stattfinden. Dass bestimmte Materialien aus dem Müll aussortiert und recycelt werden, darum kümmern sich in Brasilien Müllsammler aus dem informellen Sektor. Sprich: Bewohner und Bewohnerinnen der Armenviertel oder obdachlose Menschen, die ihren Lebensunterhalt damit verdienen, dass sie auf der Straße nach Aluminium und Papier suchen.

(c) Johannes Schmidt

Abfall-Hochsaison WM

Fußballparty in einer Seitengasse des Ausgehviertels Lapa in Rio de Janeiro. Auf dem Boden sammeln sich Essensreste, Servietten und Getränkedosen. Hier, wo andere feiern, ist der Arbeitsplatz von Francisco. Er sammelt in einem riesigen Müllsack Aluminiumdosen ein. Später in der Nacht wird er das Aluminium zu einer Sammelstelle ins Zentrum bringen. Dort werden sie gewogen und er bekommt 2 Reais, umgerechnet 70 EuroCent, pro Kilo. Den Rest des Beitrags lesen »





Brasilien: Die WM und das Geschäft mit Sex

22 06 2014
SENDUNG: Ö1 Morgenjournal, Samstag, 21. Juni 2014 
Ö1 zum Nachhören

Kinderschutzorganisationen warnen schon seit längerem vor einer Zunahme der sexuellen Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen während der Fußball WM in Brasilien. Schätzungsweise 600.000 ausländische Touristen sowie 3 Millionen Brasilianer reisen während der Weltmeisterschaft in Brasilien herum. Das erhöht die Nachfrage nach dem Geschäft mit Sex. Medienberichten zufolge sollen Zuhälter in den WM-Austragungsstädten schon seit Monaten gezielt minderjährige Mädchen und Burschen aus den Armenvierteln sowie dem Landesinneren anwerben. Regierung und NGOs haben Aufklärungskampagnen gegen Sextourismus mit Minderjährigen gestartet.

(c) ullae

„Wegen der WM hingeschaut“

Abends an der Copacabana in Rio de Janeiro: Das letzte Match des Tages ist vorbei, ausländische und brasilianische Fans stürzen sich ins Nachtleben, Alkohol fließt in Strömen. Am Eröffnungstag der WM schloss die Polizei hier an der Copacabana, ganz in der Nähe vom „Fifa FanFest“, ein Hotel sowie eine Bar: In den beiden Lokalen seien minderjährige Mädchen als Sexarbeiterinnen tätig gewesen, erklärt Sento-Se, Leiterin von „ECPAT Brasilien“. Die internationale NGO-Plattform widmet sich dem Kampf gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen. Den Rest des Beitrags lesen »





Gringo-Alarm

18 06 2014

Brief an den FALTER 2: Nr. 25/14

gringos

Jetzt ist die Stadt voller Ausländer. Woher sie kommen, erkennt man sofort am jeweiligen Fan-Leiberl und/oder der Gesichtsbemalung. Angesichts dieser Übermacht an singenden, fahnenschwingenden „Gringos“, fühle ich mich plötzlich als „Carioca“, so nennt man die Bewohner von Rio de Janeiro. Daher nehme ich es persönlich, wenn mich die Gemüsehändler am Sonntagsmarkt neuerdings auf Ausländisch ansprechen. Offenbar haben sie geübt, extra für die WM. Präsidentin Dilma hat ja mehrfach betont, man müsse die Ausländer liebevoll empfangen. „You speak english?“, „Parlez-vous français?“, „?Hablas español?“. Ich weiß, sie meinen es liebevoll, darum lass ich mir meine Gekränktheit nicht anmerken. Wo sich der Spaß aber aufhört: wenn uns der ambulante Erdnussverkäufer im Biergarten auf einmal nur noch 2 statt 3 Tüten Erdnüsse für 5 Reais hinlegt. Soll er doch die Gringos abzocken. Mit mir nicht, Freund der Berge! Ich lass mich erst wieder wie eine Gringa behandeln, wenn ich die einzige im Viertel bin.





Fan-Meile Alzirão: So feiert Rio

13 06 2014
SENDUNG: Ö1 Mittagsjournal, Freitag, 13. Juni 2014 
Ö1 zum Nachhören

Auch am gestrigen ersten Tag der Fußball-Weltmeisterschaft demonstrierten die Brasilianer in mehreren Städten gegen die WM. Doch die Menschen trafen vor allem an allen möglichen Plätzen zusammen, um gemeinsam mit ihrer Mannschaft mitzufiebern. An der bekanntesten inoffiziellen Fan-Meile, der Alzirão in Rio, finden seit Jahrzehnten Public Viewings statt, so auch gestern zur WM-Eröffnung.

foto (c) johannes schmidt

Musik, Bier und Grill

30.000 Fußballbegeisterte kommen am Nachmittag in der inoffiziellen Fan-Meile Alzirão zusammen. Diese liegt im nördlichen Stadtteil Tijuca, etwa zwei Kilometer vom Fußballstadion Maracanã entfernt. Die Straße ist bunt geschmückt, überall wehen gelbe und grüne Plastikbändchen im Wind. Der Großteil der Besucher und Besucherinnen ist in Brasilien-Farben gekleidet, gefühlt die Hälfte hat die Nummer 10 am Rücken, die Nummer des brasilianischen Superstars Neymar.

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Copa – für wen? Über die Schattenseiten der Fußball-WM

13 06 2014
SENDUNG: Journal Panorama, Donnerstag, 12. Juni 2014, 18:25 Uhr, Ö1 
 7 Tage Ö1 zum Nachhören

Heute startet die Fußballweltmeisterschaft in Brasilien. Die Regierung erhofft sich von dem Großspektakel nicht nur sportliche, sondern auch wirtschaftliche Erfolge: 600.000 ausländische und drei Millionen inländische Touristen und Touristinnen sollen zwischen acht und zehn Milliarden Euro im Land ausgeben. Die Bevölkerung ist weniger positiv gestimmt. Immer wieder kommt es zu Demonstrationen gegen die WM. Die Gewinne würden in den Händen einiger weniger großer Firmen und der FIFA landen, bemängeln die Demonstranten, die breite Masse würde leer ausgehen. NGOs kritisieren zudem eine Reihe von Menschenrechtsverletzungen rund um die WM, darunter Zwangsumsiedlungen und soziale Säuberungen.

foto (c) johannes schmidt





Make love, not goal

11 06 2014

Brief an den FALTER 1, Nr. 24/14

copula

Langsam wird’s ja doch. In einigen Straßen hängen endlich Brasilien-Fahnen und gelegentlich sieht man gelb-grün gekleidete Fans auf der Straße. Bis vor kurzem haben nur die unzähligen „Não vai ter Copa“-Graffitis („Es wird keine WM geben“) daran erinnert, dass bald WM ist. Früher sei bereits Wochen vorher ganz Rio Gelb und Grün erstrahlt, bekomme ich immer wieder erzählt. Doch diesmal scheinen die Kosten der teuersten Fußball WM aller Zeiten die Vorfreude der Brasilianer gedämpft zu haben. Meine Facebook-Timeline ist voll von Protesten. Mein Favorit ist die Gruppe „Vai Ter Cópula“: deren Mitglieder wollen am 12. Juni den Fernseher ausschalten und Liebe machen. Mehr Fußball-Enthusiasmus zeigen da die Drogenkartelle. In der Favela Vila Aliança beschlagnahmte die Polizei Marihuana und Kokain, fein säuberlich etikettiert mit WM Logo und dem Hinweis: falls die FIFA hier eine Copyright-Verletzung sehe, möge sie sich doch am „Boca“ (dem Drogenumschlagplatz der Favela) beschweren kommen.





Riesiger Sicherheitsaufwand für Fußball WM

11 06 2014
SENDUNG: Ö1 Mittagsjournal, 11. Juni 2014
Ö1 zum Nachhören

Straßenkriminalität, Ausschreitungen bei Demonstrationen, Terrorismus – all diese Gefahren könnten theoretisch bei der Fußball Weltmeisterschaft in Brasilien lauern. Knapp zwei Milliarden Reais, rund 670 Millionen Euro, gibt die brasilianische Regierung für die Sicherheit während der Fußball-WM aus. Etwa dreimal so viele Sicherheitsbeamte wie 2010 in Südafrika werden darauf achten, dass weder Sportlern noch Touristen etwas passiert.

(c) Rosemarie Santos de Souza

Polizisten, Security, Soldaten

Panik in der U-Bahn-Station Cidade Nova in Rio de Janeiro: überall liegen verletzte Menschen. Soldaten und Militärpolizisten versuchen, die Verwundeten zu bergen. Zum Glück alles nur eine Übung. Ende Mai trainierten in Rio 270 Sicherheitskräfte den Ernstfall: Was tun bei einem Terroranschlag während der Fußball WM?

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Kochkurs mit Politik

6 06 2014

Wir alle kennen aus Filmen die gängigen Klischees der brasilianischen Favelas: Bandenkriege, Gewalt, Misere. All das gibt es auch wirklich, aber es ist nur die halbe Wahrheit. In der Favela Maré in Rio de Janeiro beispielsweise bemühen sich rund 50 NGOs, das Leben der Menschen zu verbessern. Eine davon unterstützt eine Frauenkooperative , die Bio-Buffets für Events macht. Sie organisiert Kochkurse, die auch ungewöhnliche Fächer beinhalten, wie „Politische Bildung“.

moqueca

Banditen und Soldaten

In einem Kulturzentrum der Favela Maré hat sich die Frauenkooperative „Maré de Sabores“ („Maré der Geschmäcker“) eine kleine Küche eingerichtet. Draußen im Garten wachsen frische Kräuter. Drinnen bereiten die Frauen gefüllte Blätterteigtaschen zu, kochen Fleischeintöpfe und backen Brot. Eine davon ist die 35-jährige Vanessa. „Wir machen Buffets für Veranstaltungen und Feste. Wir bereiten hier alles vor und servieren dort“, erklärt sie.

Bis vor wenigen Monaten wurde die Favela Maré noch von rivalisierenden Drogenkommandos beherrscht. Das Küche des Projekts befand sich genau an der Grenze zwischen zwei verfeindeten Territorien. Da gab es oft Schießereien erzählt Vanessa. Den Rest des Beitrags lesen »





Medien-Ninjas und Favela-Reporter

6 06 2014
SENDUNG: Matrix - Computer und Neue Medien, 
Sonntag, 8. Juni 2014, Ö1 / 7 Tage Ö1 zum Nachhören

Bewohner/innen einer Favela demonstrieren gegen Polizeigewalt oder absurd hohe Stromrechnungen. Die brasilianischen Massenmedien interessiert das kaum. Stets mit dabei: Aktivist/innen mit Handy-Kameras. Sie dokumentieren alles und verbreiten die Inhalte via Social Media. 2011 entstand in Sao Paulo das alternative Mediennetzwerk „Mídia Ninjas“. Ziel der Medienaktivisten ist es: all das publik zu machen, was der allmächtige brasilianische Medienkonzern Globo nicht zeigt. Spätestens seit den Massendemonstrationen im Juni 2013 rund um den Confederations Cup in Brasilien, wurden die Mídia Ninjas zu einem nationalen Medienphänomen. Ihre Videos wurden hunderttausende Male angeklickt. Gegen einseitige Medienbilder wehren sich auch Medienprojekte, die in den Favelas, den Armenvierteln Brasiliens entstehen. Medial werden die Favela-Bewohner gerne als Banditen hingestellt, Bilder zeigen sie in Armut und Dreck. Weil das nur die halbe Wahrheit ist, bildet die NGO Observatorio das Favelas eigene Medienaktivisten in den Favelas aus. Kinder und Jugendliche lernen, professionell mit Fotokameras und Blog-Software umzugehen. So können sie ihr eigenes Bild ihrer Lebenswelt zeigen.

ninja2

TEXT KOMMT IRGENDWANN…