Wenn Politiker ihre eigene Entmachtung verhandeln

26 07 2013

ATTAC Sommerakademie (2): Alexandra Strickner über das geplante Freihandelsabkommen EU – USA

Sendung: Europajournal, 26. Juli 2013, 18:20 Uhr, Ö1 

Vor kurzem hat der US-amerikanische Konzern Monsanto angekündigt, er werde ab sofort aufhören, sich um die Zulassung genetisch manipulierter Pflanzen in Europa zu bemühen. Alles nur ein PR-Trick, vermuten Kritiker. Denn der Konzern könnte sein Gen-Saatgut bald durch die Hintertür nach Europa bekommen: Nämlich mit Hilfe des Freihandelsabkommens zwischen der EU und den USA. Da werden die Importverbote für Hormonfleisch und genmanipulierte Lebensmittel einer der größten Reibungspunkte sein. Im Juli fand in Washington die erste Verhandlungsrunde statt. Auch Alexandra Strickner, Obfrau von ATTAC Österreich hält das Abkommen für eine ernsthafte Gefahr für die Ernährungsgewohnheiten der Europäer. Über diese und weitere Gefahren wurde auf der diesjährigen ATTAC Sommerakademie in Eisenstadt diskutiert.

foto (c) attac

Bilaterale Freihandelsabkommen der EU stehen seit Jahren im Kreuzfeuer der Kritik. Häufig ging es in der Kritik aber darum, dass die EU mit Hilfe solcher Abkommen Entwicklungsländer ausbeutet. Dass also ein mächtiger Wirtschaftsblock einem armen Land seine Bedingungen aufzwingt, von denen europäische Firmen profitieren, aber viele kleine Wirtschaftstreibende im Entwicklungsland ruiniert werden. Beim Abkommen EU-USA stehen sich zwei große Player auf Augenhöhe gegenüber. Wo liegt hier das Problem? 

Alexandra Strickner: ATTAC hat die Kritik an den Freihandelsabkommen immer schon breiter angesetzt. Wir haben gesagt, dass sind Abkommen, die in erster Linie großen, global agierenden Konzernen nutzen und Rahmenbedingungen schaffen, wo Kleinbauern und -bäuerinnen, aber auch ArbeitnehmerInnen in unterschiedlichen Regionen der Welt zueinander in Konkurrenz gesetzt werden. Den Rest des Beitrags lesen »





Freihandel ist kein „Win-Win-Game“

26 07 2013

ATTAC Sommerakademie (1): Bruno Ciccaglione über das Freihandelsabkommen EU-USA

SENDUNG: Europa-Journal, 26. Juli 2013, 18:20 Uhr, Ö1

Beinahe wäre es am US-Abhörskandal gescheitert – Aber dann fand doch Mitte Juli in Washington die erste Verhandlungsrunde zum Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA statt. Bis zu 400.000 Arbeitsplätze soll es in Europa schaffen und das Wirtschaftswachstum um 0,5 Prozent ankurbeln. Der italienische Ökonom Bruno Ciccaglione bezweifelt diese optimistischen Zahlen. Er fürchtet vielmehr, das Abkommen könne Umwelt- und Sozialstandards in Europa weiter aushöhlen könnte. Über die möglichen Gefahren des transatlantischen Freihandelsabkommen sprach Bruno Ciccaglione Mitte Juli in Eisenstadt. Dorthin hatte das globalisierungskritische Netzwerk ATTAC zu seiner jährlichen Sommerakademie geladen.

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Die EU-Kommission schätzt, dass das Freihandelsabkommen mit den USA 400.000 Arbeitsplätze in Europa schafft und die europäische Wirtschaft dadurch um 0,5 Prozent wachsen wird. Das klingt doch großartig. Wieso stehst du dem Abkommen trotzdem kritisch gegenüber?

Bruno Ciccaglione: Das ist nur Propaganda. Auch die EU-Experten wissen, dass es sehr schwierig ist, die Auswirkungen eines Abkommens zu messen, in dem es nicht um Zollsenkungen geht – de facto gibt es ja nur noch sehr geringe Zölle zwischen der EU und den USA. Es geht im Abkommen darum, das regulative Umfeld von EU und USA zu „harmonisieren“ – wie sie sagen. Wie soll man ernsthaft messen, wie sich Gesetzesänderungen auf das BIP auswirken? Den Rest des Beitrags lesen »





Aufwachsen zwischen den Welten: Die Kinder der Entwicklungshelfer

16 07 2013

SENDUNG: Moment – Leben heute, Dienstag, 21. August 2012, 14:40 Uhr, Ö1

WH: Mittwoch, 17. Juli 2013, 14:40 Uhr, Ö1
(im Rahmen der Moment-Serie: „Anders aufwachsen. Kinderleben abseits der Idealvorstellungen“)

„Tumbuka“ nennt sich ein Bantu-Dialekt, der von etwa zwei Millionen Menschen im südlichen Afrika gesprochen wird. Der Waldviertler Gabriel Graf hat ihn als Kind gelernt: in einer Dorfschule in Sambia. Denn dort haben seine Eltern als Entwicklungshelfer gearbeitet. Seit den 1960er-Jahren sind etwa 2.500 Österreicher und Österreicherinnen für die Entwicklungszusammenarbeit in abgelegene Regionen in Afrika, Lateinamerika oder auch Papua Neuguinea gegangen. Viele davon mit der ganzen Familie. Die Kinder wachsen dort ohne den Luxus der industrialisierten Welt auf, sie lernen exotische Sprachen, Vögel jagen und Fische fangen und sie tauchen ein in eine völlig andere Kultur. Für manche ist das Zurückkommen nach Österreich schwieriger als das Weggehen.

Kulturschock Hüftschwung

„Gleich am ersten Tag, als ich dorthin gekommen bin, hätten wir alle tanzen sollen. Ich war eher schüchtern und hab mich in die Ecke gesetzt. Bei den Brasilianern geht es immer darum, dass alle lachen und Kontakt haben und immer wird Musik gespielt. Ich war da noch ein wenig österreichischer.“ Daniel Kemper erinnert sich an seinen ersten Tag in der Vorschule in Brasilien. Im Dorf Boa Vista do Tupim, im Landesinneren des nordöstlichen Bundesstaates Bahía, hat er drei Jahre seiner frühesten Kindheit verbracht. Am Hauptplatz hört er den alten Leuten zu, wie sie miteinander sprechen und plappert alles nach. Innerhalb kurzer Zeit beginnt er, ganz von selbst portugiesisch zu sprechen. Den Rest des Beitrags lesen »





Austeritätspolitik frisst Menschenrechte

8 07 2013

Wiener Menschenrechtsgespräche (3): Michael Windfuhr

SENDUNG: Journal Panorama, 2. Juli 2013, 18:25 Uhr, Ö1

Bei der UN-Menschenrechtskonferenz 1993 in Wien gab es vor allem zwei strittige Themen: Einige Staaten Asiens, Afrikas und der arabischen Welt wehrten sich gegen die Idee, dass Menschenrechte universell gültig seien. Eine Idee des Westens, sagten sie. Man müsse das in jeder Kultur anders definieren. Europa und die USA wiederum wollten nichts wissen davon, dass wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte („WSK-Rechte“) – etwa die Menschenrechte auf Ernährung, auf Bildung oder Entwicklung – gleich bedeutend sein sollten, wie politische Rechte, also: das Recht auf freie Meinungsäußerung oder Versammlungsfreiheit. Schließlich einigte man sich auf einen Kompromiss: Das Abschlussdokument erteilte dem Kulturrelativismus eine Abfuhr. Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte wurden im Gegenzug als gleichbedeutend festgeschrieben, wie politische Rechte. Einer, der sich bereits 1993 für WSK-Rechte engagierte, ist der Deutsche Michael Windfuhr.  Er ist Mitbegründer der internationalen Menschenrechtsorganisation FIAN (Food First Information and Action Network), die sich besonders für das Menschenrecht auf Nahrung einsetzt.  Heute ist Michael Windfuhr stellvertretender Leiter des Deutschen Instituts für Menschenrechte.

foto (c) vienna+20

„Menschenrechte in der Krise“, lautete der Titel der NGO-Konferenz, die im Vorfeld zur offiziellen Vienna + 20-Konferenz in der Wiener Hofburg stattfand. Welchen Einfluss hat eigentlich die aktuelle Wirtschaftskrise auf die Menschenrechte in Europa?

Michael Windfuhr: Die Menschenrechtssituation ist sehr angespannt, gerade, was wirtschaftliche, kulturelle und soziale Rechte anbelangt. In Griechenland zum Beispiel, steht ja schon die Demokratie als solche in Frage. Durch die Sparauflagen, die Griechenland verordnet worden sind, finden systematische Ausschlüsse von Teilen der Gesellschaft im Zugang zu ganz wichtigen sozialen Grunddienstleistungen statt. Ein Drittel, las ich neulich, haben kaum noch Zugang zu medizinischer Versorgung. Ich sprach mit einem deutschen Arzt, der in einem Center arbeitet, das sich eigentlich um Flüchtlinge kümmert. Er sagte, sie haben inzwischen gar keinen Platz mehr für Flüchtlinge. Es kommen nur noch Griechen. Und inzwischen stehen schon die Rechtsradikalen vor der Tür und sorgen dafür, dass auch wirklich nur noch Griechen Zugang haben zu diesen Einrichtungen. Den Rest des Beitrags lesen »





„Die Regierungen hatten keine Ahnung, wo das hinführen würde“

3 07 2013

Wiener Menschenrechtsgespräche (2): Charlotte Bunch

SENDUNG: Journal Panorama, 2. Juni 2013, 18:25 Uhr, Ö1

Erst seit 20 Jahren, nämlich seit der UN-Menschenrechtskonferenz in Wien 1993, werden Frauenrechte von den Vereinten Nationen dezidiert als Menschenrechte angesehen. Zu verdanken ist das unter anderem der US-amerikanischen Frauenrechtlerin Charlotte Bunch. Sie hatte damals zahlreiche Frauenorganisatorinnen aus der ganzen Welt zusammengetrommelt, um eine Kampagne zu starten „Frauenrechte sind Menschenrechte“. Die Frauen organisierten damals in Wien ein Frauentribunal, bei dem sie verschiedene Formen von Gewalt anprangerten: vom prügelnden Ehemann bis hin zu weiblicher Genitalverstümmelung. Sie wollten der internationalen Menschenrechts-Community drastisch vor Augen führen, welche Ausmaße die alltägliche Gewalt gegen Frauen hat. Ende Juni war Charlotte Bunch wieder in Wien zu Gast, als Expertin der Jubiläumskonferenz Vienna + 20.

(c) Vienna +20

Seit 1993 gelten Frauenrechte offiziell für die Vereinten Nationen als Menschenrechte. Wie schwierig war es eigentlich, das durchzusetzen? Gab es damals viel Widerstand von Regierungen?

Charlotte Bunch: Ja, es gab Widerstand von Regierungen. Aber um die Wahrheit zu sagen: Der größte Widerstand kam von den Menschenrechtsorganisationen. Diese Forderung war ja nicht von ihnen formuliert worden, sondern von der Frauenbewegung. Einige Frauen, die dort in den traditionellen Menschenrechtsorganisationen arbeiteten, waren zwar auf unserer Seite. Aber die meisten der NGOs wurden von Männern kontrolliert. Und die hatten ihre eigene Agenda für Wien. Ich kann mich erinnern: einer von ihnen sagte hinterher: „Die Frauen haben die Wiener Konferenz geentert.“ Den Rest des Beitrags lesen »





Vom Kalten Krieg zu Occupy Wallstreet: Menschenrechtsagenda für das 21. Jahrhundert

2 07 2013

Wiener Menschenrechtsgespräche (1): Christian Strohal & Manfred Nowak

SENDUNG: Journal Panorama, 2. Juli 2013, 18:25 Uhr, Ö1

Vor genau 20 Jahren, im Juni 1993, fand in Wien die 2. UN-Menschenrechtskonferenz statt. Rund 10.000 Menschen trafen sich damals in der Wiener UNO-City, um ein neues Menschenrechtssystem für die Welt zu entwickeln: Regierungsvertreter, ebenso wie Aktivisten und Aktivistinnen der Zivilgesellschaft. Damals erlebte die Welt gerade das Ende des Kalten Krieges und eigentlich hätte Berlin – als symbolträchtiger Ort des Mauerfalls – Austragungsort der Weltmenschenrechtskonferenz sein sollen. Doch ein Jahr vor Konferenzbeginn machte Deutschland einen Rückzieher und Wien sprang ein. Der österreichische Diplomat und Menschenrechtsexperte Christian Strohal war damals für die Organisation der UN-Konferenz zuständig. Manfred Nowak, Leiter des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte und mittlerweile ehemaliger UN-Sonderberichterstatter für Folter, organisierte das parallel dazu laufende NGO-Forum. Im Juni 2013 organisierten die beiden gemeinsam die Jubiläumskonferenz „Vienna + 20“ in der Wiener Hofburg.

Foto (c) Vienna + 20

Wieso fand die riesige UN-Menschenrechtskonferenz damals eigentlich ausgerechnet in Wien statt?

STROHAL: Die war deshalb in Wien, weil Berlin letztendlich gesagt hat: diese Konferenz ist uns zu groß. Der damalige Außenminister Mock hat die Herausforderung angenommen. Außerdem hat das sehr gut in die österreichische Menschenrechtspolitik gepasst. Wir haben ja immer eine ganz besondere Position zwischen Ost und West gehabt. Gerade Anfang der 1990er gab es große Erwartungen und eine Art Aufbruchstimmung. Daher war Wien ein logischer Ort. Den Rest des Beitrags lesen »





Von Brautraub bis Online-Dating: Liebe in Zeiten der Cola

2 07 2013

SENDUNG: Kontext – Sachbücher & Themen, Freitag, 5. Juli 2013, 9:05 Uhr, Ö1 

Ein Journalist, Mitte 40 und Single bekommt plötzlich etwas, das böse Zungen vermutlich als „Midlife Crisis“ bezeichnen würden: Der Job ist stressig, er hat immer noch keine Familie gegründet, keine der Frauen, die er kennenlernt, ist die Richtige. Was macht er falsch? Der deutsche TV-Journalist Peter Theisen beschließt schließlich, eine Weltreise zu machen, um dem Phänomen Liebe auf die Spur zu gehen. Ein halbes Jahr lang besucht er zahlreiche Länder der Erde und erforscht dabei Flirtverhalten, Geschlechterverhältnisse und Hochzeitsrituale in verschiedenen Kulturen. Die Erlebnisse seiner Tour d’Amour hat er jetzt veröffentlicht: „Liebe in Zeiten der Cola“ ist im Verlag Ullstein Extra erschienen.

(c) ullstein extra

Tagebuch eines Liebesreisenden

„Liebe Anja“, wollte Peter Theisen schreiben. Doch die automatische Eingabehilfe seines Handys machte daraus „liebe Cola“. Und aus der Romanze mit der jungen Dame wurde nichts. Schon wieder nicht. Leidet er an einer frühkindlichen Störung? Hat ihm die Mutter Brei oder gar Brust verweigert? Ist er Sklave seines männlichen Erbmaterials? Solche Fragen stellt sich der Journalist Peter Theisen, bevor er auszieht, um zu erkunden, wie es junge Männer in der Südsee anstellen, Frauen kennenzulernen. Und was er sich vom Latin Lover in Kolumbien abschauen könnte. Den Rest des Beitrags lesen »