Südsudan: Warten auf das Erdöl

22 11 2012

SENDUNG: Mittagsjournal, Donnerstag, 22. November 2012, 12:00 Uhr, Ö1 / Ö1 zum Nachhören

Seit mittlerweile elf Monaten stehen im ölreichen Südsudan die Ölförderanlagen still. Der Grund: Auseinandersetzungen mit dem nördlichen Nachbarn Sudan, von dem sich der Süden vergangenes Jahr nach einem langen Krieg abgespalten hat. Dem Süden gehört jetzt ein Großteil der Erdölvorkommen, die Leitungen führen aber durch den Norden. Nach großem internationalen Druck haben die beiden Konfliktparteien Ende Oktober ein Kooperationsabkommen unterzeichnet. Wichtige Frage zur Grenzziehung sind zwar noch offen, aber immerhin soll in den kommenden Monaten wieder Öl fließen. Höchste Zeit, denn 98 Prozent der südsudanesischen Staatseinnahmen kommen aus der Ölförderung. Unter den Folgen des Förderstopps leidet die Bevölkerung des Landes zunehmend. Der Kampf gegen die Korruption ist eine Bedingung der internationalen Geldgeber für Hilfszahlungen. Aber auch um Menschenrechte und Demokratisierung steht es nicht zum besten.

Sparpakete und Hilfsgelder

Die Provinzstadt Mundri Town, etwa 160 Kilometer westlich der südsudanesischen Hauptstadt Juba: Hier gibt es weder asphaltierte Straßen, noch ein Stromnetz. Viele Menschen sterben an vermeidbaren Krankheiten. Es mangelt an Ärzten und Medikamenten. Bullen Abeatar ist Lokalchef der Regierungspartei SPLM hier in Mundri. Er wartet dringend auf Geld aus dem Öl-Geschäft. 21 Jahre Unabhängigkeitskrieg haben das südsudanesische Bildungssystem ruiniert. Die Analphabetenrate ist enorm und es gibt kaum qualifizierte Lehrer. „Es liegt noch ein langer Weg vor uns“, sagt Abeatar.

Der Ölförderstopp zwang die Regierung zu harten Sparmaßnahmen. Den Beamten wurden die Gehälter gekürzt, auch viele andere Arbeiter haben seit Monaten keinen Lohn mehr bekommen. Dafür sind die Preise im vergangenen Jahr rasant gestiegen. Benzin ist beispielsweise teurer als in Europa. Viele Menschen können sich Transport nicht mehr leisten und gehen zu Fuß zur Arbeit. Das Land ist abhängig von internationalen Hilfsgeldern. Und die Geber stellen Bedingungen. Zum Beispiel: Korruptionsbekämpfung.

Vier Milliarden unterschlagene Dollar
Im Juli schrieb der südsudanesische Präsident Salva Kiir einen offenen Brief an 75 Regierungsbeamte: Sie mögen unterschlagene Gelder in der Höhe von vier Milliarden US-Dollar wieder zurückgeben. „Das Geld, das für die Entwicklung unseres Landes gedacht ist, darf nicht in privaten Taschen verschwinden“, betont der SPLM-Parteichef von Mundri, „unsere Regierung kämpft gegen die Korruption. Es gibt jetzt eine unabhängige Behörde, die alle Ministerien überwacht.“ Auch er selbst sei bereits zweimal überprüft worden, berichtet Abeatar.

Kritiker halten den offenen Brief von Salva Kiir jedoch für einen PR-Gag für die internationalen Geber. Tatsächlich sei die Regierung nicht an der Aufklärung von Korruptionsaffären interessiert, sagt ein junger Radiojournalist, der lieber anonym bleiben möchte. Den Medien sei nahegelegt worden, nicht über Korruptionsfälle zu berichten: „Ich habe bei der Justiz nachgefragt. Die sagten: die Korruptionsaffäre sei erledigt. Ich wollte wissen, wie viele der 75 überführt wurden? Wenn ihr schon keine Namen sagt, dann gebt uns wenigstens eine Zahl. Sie sagten: acht. Ich habe im Radio darüber berichtet. Aber ganz ehrlich: ich hatte Angst dabei. Doch wenn wir nicht berichten, wird das ewig so weiter gehen.“

Entführung von Kritikern
Er selbst ist bereits zweimal verhaftet worden, erzählt der Journalist. Offiziell bemüht sich die südsudanesische Regierung um ein demokratisches Image. „Niemand wird offen zu dir kommen und dich für deine Berichte kritisieren“, so der Radiojournalist, aber man wisse nie, ob man nicht plötzlich von Unbekannten überfallen werde. Von so einem Fall berichtet auch der Behinderten-Aktivist Henry Swaka von Handicapped International: Deng Athuai Mawiir, der Vorsitzende der South Sudanese Civil Society Alliance (der auch Swaka angehört), war im Juli von Unbekannten entführt worden: „Wir vermuten natürlich, dass Regierungsbehörden dahinter stecken“, sagt Swaka, „denn er hat die Regierung oft provoziert. Eines Nachts wurde er dann für ein paar Tage verschleppt. Sie fragten ihn: „Wer hat dir das Recht gegeben, im Namen des südsudanesischen Volkes zu sprechen?“ –Er hatte regelmäßig die Korruption kritisiert.“ Anfang November hat die Regierung in Juba eine UN-Menschenrechtsbeauftragte des Landes verwiesen: Ihre Berichte waren zu kritisch ausgefallen.

Wie viel von den künftigen Öl-Einnahmen wohl je in abgelegenen Provinzstädten, wie Mundri, ankommen wird? Lokalpolitiker Bullen Abeatar ist da optimistisch. Allerdings rechnet er frühestens in 3-4 Monaten damit: Denn bei den Kampfhandlungen mit dem Norden ist Infrastruktur zur Ölförderung beschädigt worden. Und die lässt sich nicht in wenigen Tagen reparieren.


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18 01 2013

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